Hotel Garden Terme, Montegrotto, Italien

Hotelzimmer. Bilder als Dekoration, aufgehängt wie Tapeten, altbekannt, immergleich. Vielleicht die klischeehaften Sehnsüchte der Zimmerbenutzer verstärkend – schöne Blumen, schöne Mädchen, röhrende Hirschen, Birkensumpf, Sonnenuntergang, Gebirgs- und Küstenlandschaften. Nostalgisches. Drucke von Kunstwerken – tausendfach vervielfältigt, Ikonen der Kunstgeschichte herabgewürdigt zur Dekoration.
Nach Mitchell sind Bilder „dichte, ikonische, (gewöhnlich) visuelle Symbole, die nicht-diskursive, nonverbale Informationen vermitteln“ und in ihrer konsequenten Mehrdeutigkeit Begierden zum Ausdruck bringen, die wir bereits in uns tragen. (W.J.T. Mitchell: Das Leben der Bilder, 2005).
Doch die Bedeutung dieser Hotelzimmerbilder liegt in ihrem Schweigen begründet, ihrer außergewöhnlichen Teilnahmslosigkeit, ihrem stummen Beharren darauf, stets die gleiche Botschaft zu wiederholen.

Im Rahmen dieses Projekts will ich diesen Bildern ihr Schweigen nehmen, will sie aber weder zerstören, verdecken oder entstellen. Ich will mich zur Inspiration der einleitenden Seiten von Nietzsches Götzendämmerung bedienen, auf denen Nietzsche empfiehlt, die Götzen mit dem Hammer oder der „Stimmgabel“ der kritischen Sprache „zum Klingen zu bringen“. Die geeignete Strategie ist somit nicht, diese zur Dekoration herabgewürdigten Bilder zerstören zu wollen, einen Ikonoklasmus zu betreiben, der zum Scheitern verurteilt ist, sondern auf ihnen zu spielen, als wären sie Musikinstrumente.

Als Tourist werde ich mich in Hotels einmieten, die Umgebung, das Zimmer, die Bilder inhalieren. Ein Bild wird aus dem Rahmen genommen, ohne es zu zerstören oder zu beschädigen. In gleicher Größe wird ein neues „Bild“ produziert, wobei über das ursprüngliche Transparentpapier oder Zeichenpapier gelegt wird, um in direktem Kontakt mit der Ausgangsarbeit zu bleiben. Größe, Form, vielleicht auch Farbe, das Durchscheinen und natürlich der Inhalt werden die neue Arbeit beeinflussen. Wesentlich ist, dass der Rahmen und das Passepartout wieder verwendet werden. In stundenlanger Arbeit werde ich über dem ursprünglichen Bild ein „Bild schreiben“, indem ich meine Gedanken, Eindrücke, Reflexionen festhalte.

Bis zu acht Stunden schreibe ich an einer Arbeit, Schicht für Schicht – oft bis zu fünf Texte übereinander, die durch weiße Acrylfarbe getrennt werden. Nicht so sehr der formale Aspekt interessiert mich (dieser wird sowieso stark von der Ausgangsarbeit beeinflusst), sondern der stundenlange Prozess des Schreibens, der Versuch durch abstrakte Symbole meine Erfahrung der Welt zu ordnen. Jede Arbeit beschäftigt sich inhaltlich auch mit dem Ort, dem ursprünglichen Druck, wobei persönliche und theoretische Texte sich überlagern.

Ich versuche den ursprünglichen Bildern das Schweigen zu nehmen, sie zum Sprechen und zum Klingen zu bringen und ihre Hohlräume in einen Klangraum des menschlichen Denkens zu verwandeln.

Die vollendete Arbeit wird gemeinsam mit der ursprünglichen (diese liegt hinter meinem „Bild“) wieder in den Rahmen gegeben und aufgehängt.
Bei Abreise informiere ich den Hotelier schriftlich von meinem Tun, es wird auch mitgeteilt, dass die so entstandene Arbeit in den Besitz des Hoteleigentümers übergeht.